Lesen Sie ihren Bericht über den abenteuerlichen Alltag im Einsatz für den Frieden:

Wir „Golani-ÄrztInnen“ sind sozusagen „HausärztInnen mit erweitertem Aufgabenbereich im Kriegsgebiet“. Damit verbunden sind naturgemäß nicht unerheblich physisch-psychische Entbehrungen und ständig wechselnde Herausforderungen.

Frieden herrscht noch lange nicht

Ein Waffenstillstand wurde zwar zwischen Israel und Syrien vereinbart, doch Frieden herrscht hier noch lange nicht. Stachelzäune werden errichtet, Mauern werden gebaut, Geheimdienste operieren offenkundig und Drohgebärden werden laufend über die Waffenstillstandslinie geschickt. Doch immerhin, seit 1974 werden keine neuen Minengürtel mehr verlegt, und dank der UN-Anwesenheit werden auch keine Zivilisten mehr erschossen, die ihre Schafe und Ziegen neben dem elektrisch geladenen „Technischen Zaun“ zum Weiden bringen.

Der „Technische Zaun“ markiert die „Area of Separation“, also jenes Gebiet, in dem syrischem und israelischem Militär jeglicher Aufenthalt untersagt ist. Der Aufenthalt in der Truppentrennungszone ist ausschließlich syrischen bzw. israelischen Zivilisten und UN-Personal gestattet.

Im abenteuerlichen „Sani-Pinzgauer“ folgt das Notarztteam dem Minenteam

Entlang des „Technischen Zauns“ finden vor allem auf der syrischen Seite UN-Patroullienfahrten sowie Mineclearings (Minenräumungen) statt. Insbesondere wird jedes österreichische Minenteam immer auch von einem österreichischen Notarztteam, also von einem/r Notarzt/Notärztin, einem/r diplomiertem/n KrankenpflegerIn und einem/r NotfallsanitäterIn begleitet. Im abenteuerlichen winterlich-luftig-kühl-feuchten oder sommerlich-heiß-dampfenden „Sani-Pinzgauer“ folgt das Notarztteam im klar definierten Abstand dem klärenden Minenteam. Das Minenteam spürt Minen auf und entschärft sie. Eine unendliche Geschichte, wenn man bedenkt, dass auf unserer Erde nach wie vor mehr Minen verlegt werden alsjemals entschärft werden können.

Somit behilft sich das Minenteam mit dem Klären von schmalen Patrouillenwegen. Inmitten des Minenfeldes wird ein schmaler Wegstreifen von Minen geräumt. Entlang dieses minenfreien Weges markiert das Minenteam Steine mit rotem Farbspray - das Notarztteam ist angewiesen sich ausschließlich zwischen den roten Markierungen zu bewegen. Manchmal samt 25 kg Notarztrucksack auf dem Rücken eine recht abenteuerliche Herausforderung. Insbesonders, wenn diese Patroullienwege just durch unwegsame, steil-steinige Wege des Al Joulan führen. Für die Peacekeepers werden so Fußpatroullienwege erschlossen.

Die heimische Bevölkerung vertraut auf Allah …

Bleibt zu hoffen, dass die rot markierten Steine von heimischen Zivilisten nicht verschoben oder einfach umgelegt werden. Die heimische Bevölkerung wächst mit der ständigen Minenbedrohung auf und vertraut einfach auf Allah … Trotzdem finden wir nicht selten von Minen zersprengte Tierkörper und zerrissene Skelette von Schafen, Ziegen oder Rindern. Auch heute führen Schäfer und Ziegenhirte immer noch ihre Tiere mitten hinein in den Minengürtel entlang des „Technischen Zauns“.

In den Anfängen dieser UN-Friedensmission wurden auch einige österreichische Soldaten nach Minenunfällen getötet und verletzt. Marterln und Gedenktafeln an den Unglücksstellen erinnern an diese tragischen Unfälle. So auch an der berühmten Unfallkurve auf dem Weg zum Mount Hermon.

Täglich hoffen wir, dass wir nie notärztlich tätig werden müssen …

Während das erste Notarztteam den täglichen Minendienst begleitet, arbeitet das zweite Notarztteam in der Feldambulanz und im kleinen (aber feinen) Feldspital im internationalen UN-Camp Faouar. Im Medical-Center des Camp Faouar erfolgt die eigentliche „hausärztliche“ Versorgung der österreichischen SoldatInnen. Von der Impfung über den banalen Schnupfen bis zu Sportverletzungen, Frakturen, Schnittverletzungen ebenso wie Verbrennungen und Verbrühungen wird hier alles versorgt. Das Medical-Center verfügt über einen kleinen Eingriffsraum ebenso wie über Antiseren gegen Schlangenbisse. Wir sind also ziemlich stolz auf unsere fast luxuriös ausgestattete Feldambulanz …

Zusätzlich versorgen wir auch in vier Krankenzimmern stationäre PatientInnen, die auf Grund ihrer Krankheit oder Verletzung vorübergehend nicht dienstfähig sind. Ein Rund-um-die-Uhr-Dienst 24/7 für alle NotärztInnen ist Pflicht; die Dienst- und Urlaubseinteilungen verheißen ein dementsprechend fröhlich umkämpftes Unterfangen …

Ein drittes Notarztteam sorgt dafür, dass PatientInnen bei Bedarf zur weiteren diagnostischen Abklärung oder auch zur operativen Versorgung in ein Vertragsspital nach Damaskus gebracht und begleitet werden. Zusätzlich steht das dritte Notarztteam auch für alle weiteren Eventualitäten in der Truppentrennungszone in Bereitschaft.

Drei Monate verbringt der „Bergdoktor“ auf Mount Hermon

Von essentieller Bedeutung ist während der Wintermonate ein zusätzlicher „Bergdoktor“ auf Mount Hermon und zwar auf Hermon Base. Sinnvollerweise handelt es sich fast immer um einen männlichen, alpin-erfahrenen Notarzt, der mitsamt seiner Skiausrüstung zumeist drei Monate auf Hermon Base verbringt. Am Mount Hermon stehen – sofern die Besatzung nicht eingeschneit ist – ebenso Patroullienfahrten mit dem Pistenbulli oder auch zu Fuß mit Schneeschuhen oder Skiausrüstung auf dem Dienstplan. Weiters ist der „Bergdoktor“ rund um die Uhr für die Versorgung aller auf Mount Hermon stationierten österreichischen SoldatInnen verantwortlich. Kameradschaftlich ist der „Bergdoktor“ auch beim Schneeräumen und beim Schneeschmelzen zur Brauchwassergewinnung fürHermon Base eingebunden. Die noch höher gelegene UN-Position Hermon Hotel(ein liebevoller Name für ein liebevoll ausgestattetes UN-Camp) ist übrigens auf  2.814 m der höchste ununterbrochen-durchgehend militärisch besetzte Stützpunkt.

„Recreation“ in Zivilkleidung und ohne militärisches Korsett

Alle Teammitglieder des Medical-Centers im Camp Faouar und auch der „Bergdoktor“ auf Mount Hermon können auf Grund des durchgehenden 24/7-Dienstes einige Tage pro Monat dienstfrei beantragen. Diese dienstfreien Tage verbringen wir dann oft im Rahmen von „Recreationfahrten“ in Damaskus, Nordsyrien, Jordanien, Jerusalem, Tel Aviv oder Eilat – in Zivilkleidung und ohne militärisches Korsett! Eine wunderbare und abwechslungsreich-spannende Auszeit während eines herausfordernden Auslandseinsatzes am Al Joulan …

Seit 37 Jahren …

… betreuen hoch qualifizierte und stresserprobte österreichische Notärzte und Notärztinnen die österreichischen UN-SoldatInnen in der Truppentrennungszone zwischen Israel und Syrien.

Danke an alle „Golani-ÄrztInnen“! Liebe Grüße an alle KollegInnen und Kollegen in der Heimat!

Dr. EWALD Regina-B., MAS

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