Die Frau als Hausärztin
Mutig, engagiert und unbeirrbar – so könnte man jene Frau skizzieren, die als eine der ersten Frauen im deutschsprachigen Raum Medizin studiert hatte. Zweifelsohne war Anna Fischer-Dückelmann (1856-1917) eine Persönlichkeit, die Ende des 19. Jahrhundert nach ihrem eigenen, selbstbestimmten Weg strebte.
Die Tochter eines österreichischen k.u.k. Oberstabsarztes verbrachte ihre Jugendzeit in Wien, wo sie den Philosophen Arnold Fischer kennenlernte und gegen den Willen der Eltern heiratete. Das Paar ging nach Graz und später nach Zürich. Dort begann Anna Fischer-Dückelmann im Jahr 1890, im Alter von 34 Jahren und als Mutter dreier Kinder, ihr Medizinstudium. Die Wahl war auf die Schweiz gefallen, da zu diesem Zeitpunkt Frauen weder im Deutschen Reich noch in der Österreichischen k.u.k. Monarchie zum Medizinstudium zugelassen waren. Ab dem Jahr 1840 konnten Frauen an der Universität Zürich als außerordentliche Hörerinnen die Hochschule besuchen. Mit dem Studienjahr 1863 waren sie zur Inskription und somit zum vollen Studium zugelassen.
Eine Gefahr für das weibliche Gehirn
Keine Frage, Anna Fischer-Dückelmanns Entschluss sorgte für Aufregung: Eine Frau dringt in die Männerdomäne Medizin vor. "Als mein Vorhaben bekannt wurde, da schüttelte mancher den Kopf… Es erschienen sogar Artikel in Fachblättern gegen mich, in welchen man mir direkt das Unsinnige meines Entschlusses vorhielt", schrieb Fischer-Dückelmann über die Reaktionen ihrer männlichen Kollegen, und weiter "Ein Fachschriftsteller schrieb mir: 'Das medizinische Studium trägt schon für den Mann so große Gefahren in sich, wie erst für ein weibliches Gehirn!' In Bezug auf die Gefahren hatte er ganz recht, ich habe sie in ihrem ganzen Umfang kennengelernt! In Bezug auf die Schätzung der Leistungsfähigkeit weiblicher Gehirne aber bedarf dieser Mann noch einiger Studien."
Selbst Vegetarierin und von der Naturmedizin beeindruckt, nimmt die promovierte Medizinerin eine Stelle als Assistenzärztin in der Naturheilanstalt des Friedrich E. Bilz (1842-1922) an. Im Herbst 1896 eröffnet Dr.in Fischer-Dückelmann ihre eigene Praxis für Frauen- und Kinderheilkunde in Dresden. Auch in ihrer Ordination praktiziert sie Naturheilkunde. Oft sieht man sie mit ihren Patientinnen am Morgen im taufrischen Gras "kneippen".
Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges zog sie nach Ascona im schweizerischen Tessin, wo sie sich in einem naturheilkundlichen Sanatorium betätigte. Sie starb im Jahr 1917.
Gesundheitsratgeber als internationaler Bestseller
Mit dem Aufklärungsbuch "Die Frau als Hausärztin", erstmals erschienen im Jahr 1901 sollte die engagierte Frauenärztin einen Bestseller landen. In 13 Sprachen übersetzt, wurde das Nachschlagewerk unzählige Male überarbeitet und neu verlegt, die letzte Neu-Ausgabe stammt aus dem Jahr 1979. "Die Frau als Hausärztin" richtete sich explizit an die weibliche Leserschaft und gab ganz im Sinne der Naturheilkunde umfassenden Rat in sämtlichen Belangen des täglichen Lebens wie die Erhaltung und Wiedergewinnung körperlicher und geistiger Gesundheit, über Ernährung, Hygiene, Ehe, Kinder und Moral. So fand sie zum Thema Kaffee die folgenden mahnenden Worte: "Wir warnen auch hier nochmals, den Bohnenkaffee zum täglichen Getränk zu machen. Seine nervenerregende Wirkung ist zu stark; er muß (sic) daher krankmachend wirken. Viele nervöse Leiden der Frauenwelt sind auf den täglichen gewohnheitsmäßigen Kaffeegenuß (sic) zurückzuführen, ähnlich wie bei den Männern das Rauchen die Ursache manches unerklärlichen Übels ist…" Die Ärztin ließ auch Tabuthemen wie Masturbation, Homosexualität, Ehebruch, Verhütung, Frigidität und Unfruchtbarkeit nicht unbehandelt und bediente sich dabei einer anschaulichen, für die Laienwelt leicht verständlichen Sprache.
Literaturhinweis: Friedrich Moll, Marina Liebert: Urologie und Naturmedizin am Beginn des 20 . Jahrhunderts- Anna - Maria Fischer- Dückelmann (1856 -1917) Wirken in Dresden.